
1.1.2020
Ein neues Jahr und ein neuer Tag und eine neue Dekade. Was kann das werden? Die Roaring Twenties als lustvoller Aufschrei und Hoffnung auf eine freiere, selbstbestimmtere Lebensweise – das Recht zu wählen für diese andere Hälfte der Bevölkerung in Kanada, Indien, Großbritannien, Deutschland – Männer und Frauen tanzen in kurzen Kleidern ohne Korsett. Ein kurzes Aufatmen. Nach dem Krieg ein paar wenige Jahre, die militärisch-preußische Regeln lockern, vermeintliche Sicherheit, wirtschaftlicher Aufschwung. Ein Sausen und Brausen in den Ohren – Paul Dessau, Arnold Schönberg, Paul Hindemith, Kurt Weill und nicht zuletzt All that Jazz. Berlin macht sich schick mit Bubikopf und tanzt auf dem Vulkan. Weimar umklammert die Kredite der Vereinigten Staaten von Amerika noch fest mit beiden Händen und schaut weg, wenn doch nicht jeder sein Stück Kuchen von der Republik zu bekommen scheint – oder lautstark verkündet, nicht genug davon abzubekommen oder den Kuchen einfach gar nicht teilen will mit denen, die anders sind als Mutti. Ein Heulen setzt an. Ein crescendo.
Die Roaring Twenties bleiben uns als Begriff, romantisierte Idee einer goldenen Ära und letzter Atem vor dem großen Sturm, der durch Europa und die Welt wütete im kollektiven Gedächtnis. Ein Leuchten noch, bevor sich eine noch größere Dunkelheit ausbreiten konnte, als es je hätte geträumt werden können. Der Alb sitzt uns immer noch auf der Brust. Oder wieder. Da capo.
Der Kapp-Putsch, der sich gegen die von demokratischen Parteien wie dem Zentrum und der SPD getragene Regierung richtete und die von ehemaligen Reichswehrangehörigen und völkisch eingestellten Parteien initiiert worden war, jährt sich am 13. März zum 100. Mal… In einem Jahr, das damit beginnt, dass die Macher eines satirischen Kinderliedes – #umweltoma – Morddrohungen und deutschnationalen Demonstrationsbesuch beschert bekommen. Es jährt sich ebenfalls die Gründung einer Partei im 100. Jahr, die zu Beginn niemand ernst genommen hat und die nur 13 Jahre später zur Machtergreifung des bösen Mannes mit dem kleinen Bart führte. Und eine andere Partei, die zu Beginn niemand ernst nehmen konnte und die nach nur sieben Jahren ihres Bestehens in allen deutschen Landtagen sowie im Europaparlament sitzt.
Ouvertüre oder Finale? Twenties are roaring – ein Toben und Brüllen. Die Zwanziger fangen gerade erst an. Wir werden lauter geworden sein!
„Zu Asche, zu Staub
Dem Licht geraubt
Doch noch nicht jetzt
Wunder warten
Doch noch nicht jetzt
Wunder warten bis zuletzt.“